Beleidigungen, Beschimpfungen, Bedrohungen – Befragung zu Gewalt gegen Einsatzkräfte

Gewalt gegen Einsatz- und Rettungskräfte ist immer wieder ein Thema. Mit einer bundesweiten Befragung von mehr als 6.500 Mitgliedern der freiwilligen Feuerwehr gibt es einen datenbasierten Überblick. Die Ergebnisse der Umfrage helfen, die richtigen Präventionsangebote zu machen.

Das Thema „Gewalt gegen Einsatz- und Rettungskräfte“ ist ein bedeutendes Problem, das sich auch in den Medien stark widerspiegelt. Allerdings erreichen die gesetzlichen Unfallversicherungsträger nur wenige Unfallanzeigen, die in einen Zusammenhang mit Gewalterlebnissen gebracht werden können. Die meisten Vorfälle, in denen Gewalt gegen Einsatzkräfte in welcher Form auch immer eine Rolle spielt, verursachen keine behandlungsbedürftigen Gesundheitsschäden und sind deshalb nicht meldepflichtig. Die Psyche leidet dennoch darunter. „Wirklich massive Gewalt habe ich Gott sei Dank noch nicht erlebt. Aber mal am Hals oder am Arm gepackt zu werden und gesagt zu bekommen: ‚Ich hau dir jetzt eine rein‘ – das ist für mich eigentlich schon Standard“, sagt Jan-Henrik Büthe, Notarzt und Ortsbrandmeister: „Wir wissen vorher nie genau, was uns erwartet. Innerhalb von wenigen Sekunden müssen wir Entscheidungen treffen und abliefern. Dann noch angepöbelt oder angegriffen zu werden, belastet doppelt und macht es uns noch schwerer.“

Der Begriff „Gewalt und Belästigung“ in der Arbeitswelt im Sinne des Übereinkommens Nummer 190 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) wird definiert als „eine Bandbreite von inakzeptablen Verhaltensweisen und Praktiken oder deren Androhung, gleich ob es sich um ein einmaliges oder ein wiederholtes Vorkommnis handelt, die auf physischen, psychischen, sexuellen oder wirtschaftlichen Schaden abzielen, diesen zur Folge haben oder wahrscheinlich zur Folge haben, und umfasst auch geschlechtsspezifische Gewalt und Belästigung“.

Methodisches Vorgehen

Die Befragung sollte Aufschluss darüber geben, in welchem Maße Mitglieder der freiwilligen Feuerwehren von Gewalterfahrungen betroffen sind und welche Formen von Gewalt am meisten verbreitet sind. Auch Präventionsmaßnahmen und deren Umsetzung wurden erfragt. Die Befragung wurde als Online-Befragung umgesetzt und über verschiedene öffentlichkeitswirksame Kanäle des DFV und seiner Mitglieder verbreitet. Bereits 2020 und 2023 wurden in Niedersachsen Umfragen dieser Art durchgeführt (vgl. DGUV Forum 11/2021 und 12/2023).

Die aktuelle Befragung startete bundesweit am 4. November 2023. Der Befragungszeitraum betrug circa sechs Wochen und endete am 14. Dezember 2023. Die Zielgruppe waren alle aktiven Feuerwehrangehörigen der freiwilligen Feuerwehren in Deutschland.

Die Umfrage bezog sich insbesondere auf die Erfahrungen der vergangenen zwei Jahre oder die zuletzt erlebte Situation. 6.594 aktive freiwillige Feuerwehrmitglieder haben sich an der Umfrage beteiligt. 86 Prozent sind bereits seit mehr als fünf Jahren Mitglied.

Ergebnisse und Kernbotschaften

Gewalt ist kein Einzelfall, sondern ein massives Alltagsproblem. 49,5 Prozent der Teilnehmenden an der Umfrage hatten als aktives Feuerwehrmitglied in den vergangenen zwei Jahren bereits Gewalt in Form von Beleidigungen, Beschimpfungen, Bedrohungen oder tätlichen Angriffen erlebt. Es handelt sich demnach um ein massives Problem, das – leider – zum Einsatzalltag der Feuerwehrkräfte dazugehört.

Abbildung 1: Erleben von Beleidigungen, Beschimpfungen, Bedrohungen oder tätlichen Angriffen während der Tätigkeit in den letzten zwei Jahren | © IAG / Grafik: kleonstudio.com
Abbildung 1: Erleben von Beleidigungen, Beschimpfungen, Bedrohungen oder tätlichen Angriffen während der Tätigkeit in den letzten zwei Jahren ©IAG / Grafik: kleonstudio.com

Verbale Gewalt dominiert: Dabei spielt vor allem die verbale Gewalt eine große Rolle. Mit Abstand am häufigsten wurden von mehr als 90 Prozent der Befragten Beschimpfungen und Beleidigungen mit Worten und Gesten in den vergangenen zwei Jahren erlebt. Über Einschüchterung und Bedrohung mit Worten sowie Gesten berichten 36 Prozent der Befragten. Beleidigungen und Beschimpfungen über die sozialen Medien haben 16 Prozent erlebt, jeweils bezogen auf die vergangenen zwei Jahre.

Abbildung 2: Erleben der Formen von Beleidigungen, Beschimpfungen, Bedrohungen oder tätlichen Angriffen in den letzten zwei Jahren | © IAG/ Grafik: kleonstudio.com
Abbildung 2: Erleben der Formen von Beleidigungen, Beschimpfungen, Bedrohungen oder tätlichen Angriffen in den letzten zwei Jahren ©IAG/ Grafik: kleonstudio.com

Zwei Drittel erlebten Verweigerung, Widersetzen, keine Kooperation: Zwei Drittel (66 Prozent) der befragten Einsatzkräfte haben in den letzten zwei Jahren Erfahrungen mit Verweigerungen, Widersetzen oder fehlender Kooperation im Rahmen von Einsätzen gemacht.

Mehr als einem Drittel wurde Anfahren mit Fahrzeugen angedroht: Angedrohtes Anfahren mit Fahrzeugen – etwas mehr als ein Drittel (35,9 Prozent) der Befragten berichten, dies in den vergangenen zwei Jahren erlebt zu haben. Diese Form von Gewalt kommt insbesondere bei Einsätzen im Straßenverkehr (zum Beispiel bei Absperrmaßnahmen) zum Ausdruck, wo ein Anteil von fast 78 Prozent unter den Befragten Gewalt erlebt hat.

14 Prozent wurden mit Feuerwerkskörpern beworfen: Rund 14 Prozent der Befragten haben rückgemeldet, dass sie in den letzten zwei Jahren mit Feuerwerkskörpern beworfen wurden – und zwar nicht nur zu Silvester.

Abbildung 3: Ergebnisse der Umfrage: Einzeltäterinnen und Einzeltäter oder Gruppe; Alkohol- oder Drogeneinfluss; Vorhersehbarkeit der Situation; Belastungserleben durch Respektlosigkeit/mangelnde Wertschätzung | © IAG/ Grafik: kleonstudio.com
Abbildung 3: Ergebnisse der Umfrage: Einzeltäterinnen und Einzeltäter oder Gruppe; Alkohol- oder Drogeneinfluss; Vorhersehbarkeit der Situation; Belastungserleben durch Respektlosigkeit/mangelnde Wertschätzung ©IAG/ Grafik: kleonstudio.com

Einzeltäterinnen und Einzeltäter dominieren: 89 Prozent der Teilnehmenden gaben an, bei ihrer zuletzt erlebten Situation Opfer von Einzeltäterinnen oder Einzeltätern gewesen zu sein. Nur elf Prozent der Befragten hatten es mit Gruppen von Täterinnen oder Tätern zu tun.

Alkohol- oder Drogeneinfluss spielt geringe Rolle: Nur 13 Prozent berichteten, dass Täterinnen oder Täter erkennbar unter Alkohol- oder Drogeneinfluss standen.

Keine Vorhersehbarkeit der Taten: 89 Prozent der Befragten gaben an, dass die als am schlimmsten empfundene Situation für sie aufgrund der Einsatzmeldung beziehungsweise Einsatzlage nicht vorhersehbar war.

Respektlosigkeit/mangelnde Wertschätzung wurden als besonders belastend erlebt: Es scheint wenig Verständnis bei den Täterinnen und Tätern für die Arbeit der Feuerwehr vorhanden zu sein und größtenteils an Respekt gegenüber den Feuerwehreinsatzkräften zu mangeln. So empfinden 80 Prozent der Befragten vor allem die Respektlosigkeit und mangelnde Wertschätzung als schlimm. Jan-Henrik Büthe: „Mir geht’s nach persönlichen Angriffen eigentlich immer ziemlich schlecht. Und das hat einen einfachen Grund: Man nimmt den Stress auf sich, kommt zu einer Person hin, will helfen und wird dann persönlich beleidigt. Da frage ich mich schon manchmal: Warum tue ich mir das eigentlich an?“

Abbildung 4: Einsatzorte bei Gewalterleben | © IAG/ Grafik: kleonstudio.com
Abbildung 4: Einsatzorte bei Gewalterleben ©IAG/ Grafik: kleonstudio.com

Gewalt bei Einsätzen im Straßenverkehr am häufigsten: 78 Prozent der Befragten gaben an, Gewalt beim Einsatz im Straßenverkehr erlebt zu haben. Jeweils über ein Drittel hat bei technischen Hilfeleistungen und Bränden Gewalt erlebt.

Unterschiedliches Meldeverhalten: 78 Prozent der von Gewalt Betroffenen hatten den als am schlimmsten empfundenen Vorfall innerhalb der Feuerwehr gemeldet, aber nur 38 Prozent zeigten ihn auch bei der Gemeinde oder Polizei an. Wer den Vorfall nicht anzeigte, gab vor allem mangelnde Erfolgsaussicht und Scheu vor zusätzlichen Belastungen an. Immerhin neun Prozent derjenigen, die nicht angezeigt hatten, gaben Interesselosigkeit der Gemeinde oder der Polizei als Grund an.

Abbildung 5: Meldeverhalten und Gründe für fehlende Meldung | © IAG/ Grafik: kleonstudio.com
Abbildung 5: Meldeverhalten und Gründe für fehlende Meldung ©IAG/ Grafik: kleonstudio.com

Fazit

Die Zahl erlebter Gewaltvorfälle gegen Einsatzkräfte ist zu hoch. Gewalt findet überall und in verschiedenen Formen statt und ist mittlerweile während der Feuerwehreinsätze keine Seltenheit mehr. Feuerwehrmitglieder sind im Rahmen ihrer freiwilligen Tätigkeit viel zu häufig psychischer Belastung durch Beleidigungen, Beschimpfungen und Bedrohungen ausgesetzt. Das Befragungsergebnis macht deutlich, dass es weniger um körperliche Gewalt geht. Das erklärt auch die geringe Anzahl von Unfallanzeigen.

Mit der Umfrage haben der DFV und die Unfallkassen ein aktuelles Thema der Einsatz- und Rettungskräfte aufgegriffen und in Kooperation mit der DGUV und dem Institut für Arbeit und Gesundheit der DGUV (IAG) Erkenntnisse generiert, die auf Zahlen basieren und aus denen sich Strategien und Präventionsmaßnahmen ableiten lassen. Die hohe Rücklaufquote bei der Befragung zeigt auch den Bedarf und das Interesse der Zielgruppe am Thema.