Was ist zu beachten bei der Auswahl nachhaltiger Schutzkleidung?

Das Thema Nachhaltigkeit spielt für Betriebe eine immer größere Rolle. Der Arbeitsschutz hat aber zunächst die Sicherheit der Beschäftigten im Blick. Schutzkleidung muss also vor allem schützen, sie soll aber auch smart und nachhaltig sein. Können alle Anforderungen unter einen Hut gebracht werden?

Die ersten Schritte in Sachen Arbeitsschutz befassen sich mit der Gefährdungsermittlung in den Arbeitsbereichen und bei den Tätigkeiten. Die Gefährdungen werden beurteilt und passende Schutzmaßnahmen festgelegt. Dann müssen die Maßnahmen beschafft und durchgeführt werden. Die Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen muss fortlaufend überprüft und die Ergebnisse müssen dokumentiert werden.

So kann auf Veränderungen und Entwicklungen reagiert und Maßnahmen können rechtzeitig geänderten Bedingungen angepasst werden. Das ist ein nie endender Prozess, in den beständig Neues einfließt, wenn sich die Gefährdungen oder die Arbeitssituation ändern oder sobald bessere Schutzmaßnahmen verfügbar sind.

STOP – kollektive und persönliche Schutzmaßnahmen

Bei der Auswahl der Schutzmaßnahmen sind wiederum mehrere Schritte zu beachten. Wenn ein Gefahrstoff nicht substituiert (S) oder eine Tätigkeit nicht sicher anders ausgeführt werden kann, sind technische (T), organisatorische (O) und persönliche Schutzmaßnahmen (P) zu ergreifen. Man betrachtet hier zunächst die kollektiv wirkenden Maßnahmen, mit denen man alle Beschäftigten am betrachteten Arbeitsplatz schützen kann, und geht über zu den persönlichen Schutzmaßnahmen, mit denen man bei einer einzelnen Person die Restgefährdung minimieren will.

Nachhaltigkeit in den Auswahlprozess integrieren

Nun muss zusätzlich die Frage der Nachhaltigkeit in diesen Prozess integriert werden. Substitution und technische Lösungen sind meist ohnehin nachhaltig. Einen Gefahrstoff gegen eine ungefährliche Substanz auszutauschen ist ein nachhaltiger Prozess. Ebenso wie eine technische Lösung, zum Beispiel kann ein Gerüst, das als Absturzsicherung eingesetzt ist, an anderer Stelle wiederverwendet werden.

Bei Schutzkleidung ist die Wiederverwendung nicht in allen Fällen möglich. Das ist beispielsweise der Fall, wenn Kleidung durch Gefahrstoffe kontaminiert ist, wenn Warnkleidung durch Gebrauch unter Sonneneinstrahlung verblasst ist oder wenn schlicht ein irreparables Loch in der Schutzkleidung klafft. Schutzkleidung hat oft auch ein Ablaufdatum oder es gibt andere Vorgaben, wann Kleidung dem weiteren Gebrauch zu entziehen ist.

Aspekte der Nachhaltigkeit

Nachhaltigkeit bedeutet aber nicht nur Wiederverwendung, denn es gibt weitere Aspekte, die betrachtet werden können. Dazu zählen solche, die die Herstellung oder die Schutzkleidung selbst betreffen.

  • Materialauswahl: Nachhaltig kann Schutzkleidung sein, die aus biologisch abbaubaren Stoffen oder Recyclingfasern hergestellt wird. Dadurch fallen die Umweltbelastungen geringer aus als bei einer Neuproduktion.
  • Produktionsprozesse: Nachhaltige Prozesse zeigen sich in umweltfreundlichen Produktionsmethoden mit einem kontrollierten Energie- und Wasserverbrauch. Das können zum Beispiel ressourcenschonende und gefahrstofffreie Färbetechniken und Druckverfahren sein.
  • Langlebigkeit und Qualität: Hochwertige Materialien und saubere Verarbeitung lassen eine lange Haltbarkeit erwarten, sodass eine Wiederbeschaffung oder ein Ersatz erst langfristig wieder erfolgen muss.
  • Recycling und Wiederverwendung: Ist die Schutzkleidung so gestaltet, dass die Kleidung dem Recycling zugeführt oder instand gesetzt werden kann, ist zu erwarten, dass zum einen ein vollständiger Ersatz erst langfristig erfolgen wird und zum anderen, dass der Hersteller sich bereits bei der Herstellung Gedanken zur Weiterverwertung der Ausgangsstoffe gemacht hat.
  • Transport und Verpackung: Schutzkleidungen müssen nach Forderung der EU-PSA-Verordnung mit Bedienungsanleitungen versehen sein und werden dazu oft einzeln in Kunststoffbeuteln verpackt. Manche Hersteller sind dazu übergegangen, ihre Produkte in Recyclingkartons zu verpacken, und verzichten auf eine Kunststoffhülle.

Prüfung, Zertifizierung und Qualität von PSA

Auf die ersten beiden Punkte dieser Aufstellung hat ein Unternehmen, das Schutzkleidung beschaffen will, kaum einen Einfluss, denn persönliche Schutzausrüstung (PSA) wird von unabhängigen Instituten geprüft und zertifiziert, bevor sie auf den Markt kommt. Mit dem Zertifikat wird eine Schutzwirkung ausgelobt, auf die der Einkäufer und die Einkäuferin, die die PSA von der Stange kaufen, vertrauen können.

Trotz Prüfung und Zertifizierung und einer gleichen Klassifizierung kann es aber Qualitätsunterschiede bei Schutzkleidungen geben. Ein Beispiel: Bei zwei Warnjacken, die beide der Warnkleidungsklasse III zugeordnet sind, kann es Unterschiede in der Reparaturmöglichkeit der Reflexstreifen, Druckknöpfe und Reißverschlüsse geben.

Aspekte für eine Kaufentscheidung


Beim Kauf kann auch geprüft werden, wo die Kleidung produziert wurde, um sich für den besseren Transportweg, die Einhaltung fairer Arbeitspraktiken und die Unterstützung lokaler Gemeinschaften und damit für soziale Verantwortung zu entscheiden.

Mit Blick auf die eigene Nachhaltigkeitsstrategie wählen Unternehmen Schutzkleidungen zunehmend mit einem kritischen Bewusstsein aus, auch wenn die bessere Qualität in der Regel einen höheren Preis bedeutet.

Ob Schutzkleidung dem Recycling zugeführt werden kann oder die Stoffe wiederverwendet werden können, erkennt man beispielsweise daran, dass sich Schichten trennen lassen. Ein austrennbares Innenfutter, das selbst eine Kennzeichnung trägt, oder herausnehmbare Protektoren lassen die Wäsche und Instandhaltung zu. Festvernähte Schichten sind dagegen nur aufwendig trennbar und können schwerlich dem Recycling zugeführt werden. Das deutet darauf hin, dass diese Kleidung weniger nachhaltig sein wird. Einfacher ist diese Frage zu klären, wenn die Kleidung mit einem Siegel gekennzeichnet ist.

Siegel für Umweltverträglichkeit

Es gibt heute bereits eine ganze Reihe von Siegeln, mit denen Kleidungsstücke versehen werden und die Klimaneutralität, Nachhaltigkeit, einen C02-Fußabdruck oder Ähnliches beschreiben. Viele Hersteller von persönlicher Schutzausrüstung arbeiten an ihren Herstellungsprozessen oder Materialien, um gute Produkte auch unter diesen Gesichtspunkten herzustellen. Bisher gibt es keine allgemeinen Definitionen oder Festlegungen, was sich hinter den Siegeln verbirgt, sodass es sich lohnt, auf der Internetseite des Umweltbundesamtes (UBA) nachzuschauen, um eine nachhaltige Kaufentscheidung zu treffen ( https://www.siegelklarheit.de). Hier werden die Siegel unter anderem nach Umweltfreundlichkeit und Sozialverträglichkeit bewertet. Für die Produktgruppen sind Glaubwürdigkeitskriterien festgelegt.

In Zukunft soll es einen Digitalen Produktpass (DPP) geben, zunächst für Batterien (Elektromobilität), Elektronik, Verpackungen, Kunststoff, aber auch für Textilien, Möbel und Ähnliches – also im Wesentlichen für alle Produkte des täglichen Lebens bis auf Lebensmittel und Medizin.

Der DPP soll Informationen über die Produktion, Reparatur- und Demontagemöglichkeiten einschließlich Recycling oder Entsorgung, aber auch eine Weiterverwendung nach Ablauf der Lebensdauer enthalten. Für persönliche Schutzkleidung, die zwar teilweise auch aus Textilien besteht, wird dies voraussichtlich noch dauern und die Hersteller werden sich dem DPP schrittweise annähern. Da Schutzkleidungen immer nach einer Norm gefertigt und geprüft sowie zertifiziert werden, ist das voraussichtlich ein langwieriger Prozess. Für die Beschaffer und Beschafferinnen von Schutzkleidung wird der DPP eine große Hilfe werden, um einen nachhaltigen Einkauf zu tätigen.

Nachhaltigkeit in der Anwendung

Nachhaltigkeit kann auch bei der Verwendung von Schutzkleidung beobachtet werden. Hier sind in erster Linie die Nutzer und Nutzerinnen der Schutzkleidung gefragt.

  • Bewusstseinsbildung: Die Förderung des Bewusstseins für die Bedeutung von nachhaltiger Kleidung kann dazu beitragen, dass sich Nutzer und Nutzerinnen für umweltfreundliche Optionen entscheiden. Sie selbst haben großen Einfluss auf die nachhaltige Verwendung, indem sie die Kleidung sachgerecht und pfleglich einsetzen und sich rechtzeitig melden, wenn eine Instandsetzung oder Reinigung notwendig ist. Das ist zwar auch in § 15 Abs. 2 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) geregelt, jedoch hapert es manchmal an der Umsetzung im hektischen Arbeitsalltag.

Nachhaltige Zusatzfunktionen

Bei der Auswahl von Schutzkleidung wird oftmals auch nach smarten Textilien oder Zusatzfunktionen gefragt. Für die Nutzer und Nutzerinnen erscheinen solche Schutzkleidungen interessant, chic und wünschenswert. Wenn durch smarte Eigenschaften der Tragekomfort erhöht wird und sich das Trageverhalten verbessert, ist es wert, darüber nachzudenken. Die smarten Eigenschaften von Textilien können vielfältig sein, wie diese Liste mit einigen Beispielen zeigt:

  • leitfähige Fasern und Garne – Metalle, Drähte und leitfähige Polymere
  • Nanotechnologien für die Faser- und Gewebebeschichtung
  • thermochrome Materialien, fotochrome Materialien, Holografie
  • Elektronik, Schaltgeräte
  • medizinische Geräte (Mikroverkapselung für Therapieverabreichung, Blutdruckmessgerät)
  • Formgedächtnislegierungen und Polymere
  • leuchtende Polymere und Dioden, Photolumineszenz
  • Photovoltaik und Solarzellen in Oberbeschichtungen
  • Plasmatechnologien
  • RFID-Tags (Radio Frequency Identification), GPS-Tracker
  • ...

Bei smarten Textilien könnte sich aber ein Recyclingproblem ergeben, wenn sich die verwendeten Materialien am Ende ihrer Lebensdauer nicht mehr trennen und gesondert recyceln lassen. Während eine Batterie ausgebaut werden kann, kann ein Laminat nicht unbedingt einfach auseinandergezogen werden. Vielen smarten Textilien mangelt es auch noch an Langlebigkeit und Robustheit, die gerade in der Arbeitswelt gefragt sind. Die Praktikabilität von Textilien kann sich im Alltag doch reduzieren, wenn sie mit Technik vollgestopft sind und zum Beispiel erst ein Ladevorgang erfolgen muss, bevor es an den Arbeitsplatz geht. Ein weiterer Kritikpunkt an smarten Textilien ist, dass sie während des Tragens ständig Daten sammeln, um darauf entsprechend ihrer Funktion reagieren zu können. Nutzende sollten sich fragen, wo die Daten sonst noch gesammelt werden.

Fazit für die Auswahl

Bringt man alle Anforderungen nach Schutzfunktion, Nachhaltigkeit, smarten Eigenschaften und Ähnlichem zusammen, steht die Sicherheit am Arbeitsplatz immer noch an erster Stelle. Nachhaltigkeit im Bereich der persönlichen Schutzausrüstung ist ein wünschenswertes Ziel, denn eine qualitativ hochwertige Kleidung, die lange hält, sich gut instand halten oder waschen lässt, muss nicht kurzfristig ersetzt werden und hat meist einen guten Tragekomfort sowie ein wertiges Aussehen.

Es gibt zwei Anforderungen an smarte Textilien, die auch im Sinne der Nachhaltigkeit vertretbar sind. Zum einen, wenn die smarten Eigenschaften zu einem verbesserten Tragekomfort führen, zum anderen, wenn ein verbessertes Trageverhalten bei den Nutzenden erreicht wird. Auf alles, was am Arbeitsplatz nicht zwingend benötigt wird, sollte verzichtet werden.

Für die Auswahl von Schutzkleidung bedeutet dies:

  • Beim Kauf einer Multinormkleidung darauf achten, dass diese aus mehreren Schichten besteht, die entsprechend den Anforderungen vor Ort zusammengesetzt werden können und nicht festvernäht sind. Jedes Kleidungsstück sollte für sich eine Schutzwirkung haben.
  • Schutzkleidung sollte industriell gewaschen werden können. Mietwäsche-Unternehmen sollten sie instand setzen und gegebenenfalls austauschen können, um den Nutzenden größtmögliche Sicherheit zu bieten.
  • Zusätzliche smarte Eigenschaften sollten nur zum Anforderungskatalog gehören, wenn die Sicherheit am Arbeitsplatz damit erhöht werden kann.

Auf Sicherheit kann zugunsten der Nachhaltigkeit nicht verzichtet werden, es gibt aber viele Ansatzpunkte, um Nachhaltigkeit bei der Herstellung, in der Verwendung und am Ende der Lebensdauer einer PSA zu beherzigen.

Literatur

Bundesregierung: 17 Nachhaltigkeitsziele (SDGS) der Agenda 2030, https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/nachhaltigkeitspolitik/nachhaltigkeitsziele-erklaert-232174 (abgerufen am 11.01.2023).

EU-PSA-Verordnung, Verordnung (EU) 2016/425 des Europäischen Parlaments und des Rates.

Helfritz, B.: Digitaler Produktpass; Götz, T.: Der DPP in der EU; Engelt, A.: Normungsroadmap Circular Economy – Handlungsempfehlung; alle Vorträge in DIN DKE Gemeinschaftsgremium Gründungssitzung 11.07.2023.

Mahesh, G.: Techniques and Application of smart textiles. In: International Journal of Computer Science 2017, Vol. 5, Issue 2, No. 5, S. 21, https://www.ijcsjournal.com (abgerufen am 14.03.2024).

Quednau, W.: Gesetzliche Anforderungen an PSA aus dem Blickwinkel der Nachhaltigkeit, In: Sicherheitsingenieur 10/2022.

Thierbach, M.: Smarte persönliche Schutzausrüstungen – Herausforderung für Entwicklung, Normung und Prüfung, In: DGUV Forum 9/2020.

Vanhoutte, H.: PSA und Nachhaltigkeit: Ist das machbar? In: DGUV Forum 9/2020.